Ist ein ethischgroßees Vorgehen im Journalismus möglich?Zwischen Schlagzeilen und Prinzipien: Ethik als Kompass im Journalismus

von Mara 

Ethik ist in unserer heutigen Gesellschaft eine wichtige, jedoch komplexe Thematik. Tagtäglich wird über moralisches Verhalten diskutiert, dass häufig auch durch die Ausstrahlung bestimmter News angefacht wird. Doch über die ethischen Prinzipien der Verfasser*innen dieser Nachrichten, wird oft nicht groß nachgedacht. Hier erfährst du mehr über die Ethik im Journalismus und über die Konsequenzen von unethischem Verhalten in diesem Berufsfeld!

Stell dir vor jemand aus deinem Familienkreis ist vor kurzem gestorben. Umgebracht von dem Ehemann des Opfers. Du bist noch mitten im Prozess des Trauerns, als du ein Artikel im Internet entdeckst, in jenem du ein Foto von der verstorbenen Person siehst. Vollkommen unzensiert. Du bist in einem Schockzustand und erblickst dann auch noch das Bild des Täters, nur mit einem Balken über den Augen. 

Wer nun glaubt, sowas sei nicht möglich, hat sich geirrt. Denn genau dieser Fall veranlasste den Deutschen Presserat dazu, der BILD-Zeitung eine öffentliche Rüge auszusprechen, da sie ohne Einverständnis der Familie die Bilder des Opfers veröffentlichten. Ein klarer Verstoß gegen den Pressekodex.1 Und nicht ethisch vertretbar. Wenn du dich nun fragst, was überhaupt eine Rüge ist, wer der Presserat ist und was der Pressekodex mit ethischem Handeln zu tun hat, wird die Antworten beim weiteren Lesen dieses Artikels finden. 

Ethik und Journalismus: Was ist das überhaupt?

Um dir ein besseres Verständnis zu geben, müssen vorher ein paar Begriffe geklärt werden. Kommen wir zum ersten Begriff: Ethik. Dabei handelt es sich um eine philosophische Disziplin, die sich mit dem Verhalten des Menschen beschäftigt, und dieses bewertet. Dabei spielt Sitte und Moral eine wichtige Rolle.

In diesem Aufsatz wird dies vor allem mit dem Journalismus in Verbindung gesetzt. Doch was genau ist Journalismus? „Journalist*innen sollen Themen sammeln, auswählen, prüfen, einordnen und als Medienangebot veröffentlichen. Journalismus soll also Informationen priorisieren und zur Verfügung stellen, sodass die Nutzer*innen sich über gesellschaftliche Vorgänge informieren, und sich eine Meinung bilden können“.3

Wie treffen Journalist*innen ethische Entscheidungen? Bild: Pixabay

Die Grundpfeiler der ethischen Arbeit im Journalismus

Im Folgenden werden zentrale ethische Prinzipien der Journalistik vorgestellt, also Leitlinien für eine ethische Ausübung des Berufes:

Wahrhaftigkeit in der journalistischen Darstellung: Die Transparenz gegenüber dem Publikum, dass Journalist*innen objektive Richtigkeit oder gar Wahrheit aufgrund von gewissen Einschränkungen (erkenntnistheoretische oder praktische) nicht erreichen können.5

Objektivität: Unter Objektivität ist die unabhängige Beurteilung und Beschreibung durch emotionale Distanz zu einer Person, eines Objektes oder eines Ereignisses gemeint.6

Neutralität: Verbunden wird damit, dass die Journalist*innen keine bestimmte Meinung vertreten und Informationen nicht selektiert werden. Vor allem bei der Berichterstattung über Konflikte, gilt dieses Prinzip als ein wichtiges Qualitätskriterium.7

Sorgfalt: Eine wichtige Grundregel im Journalismus ist die journalistische Sorgfaltspflicht, die vor allem bei der Recherche ein Grundprinzip darstellt. Das gilt sowohl für die Überprüfung der Quellen als auch für die Gegenrecherche zum Schluss.8

Achtung der Menschenwürde und des Persönlichkeitsrechts: „Die Menschenwürde ist unantastbar“. Ohne die Beachtung des 1.  Artikels aus dem Grundgesetzt, wäre ein ethischer Journalismus kaum möglich.

Vertraulichkeit gegenüber Informant*innen/Quellen: Der Schutz journalistischer Quellen wird häufig als „Eckpfeiler der Pressefreiheit“ dargestellt, wie auch schon der europäische Gerichtshof geäußert hat.9

Trennung von Redaktion und Werbung: Es wird empfohlen, Werbung auch als dieses zu Kennzeichen, da häufig die Grenzen vom redaktionellen und werblichen Teil ineinanderfließt und daher für die Zuschauerschaft nicht deutlich zu erkennen ist.10

Die Richtigstellung von Falschmeldungen oder unwahren Behauptungen:  Betroffene von Fake News haben den Anspruch auf Verbesserung der falschen Behauptungen, die von dem/der Verfasserin*in richtiggestellt werden muss.11

WICHTIG zu beachten ist, dass diese Grundsätze ständig erneuert und transformiert werden. Als Beispiel steht die Neutralität, da die Kritik daran lautet, dass Journalist*innen nie neutral sein können und auch allgemein die Frage gestellt wird, ob das in manchen Konflikten auch so angebracht ist.

Der Pressekodex

Der deutsche Pressekodex gibt einige der oben genannten ethischen Prinzipien als Richtlinien für das journalistische Arbeiten an, die befolgt werden KÖNNEN, aber NICHT MÜSSEN. Beschwerden, die beim Deutschen Presserat eingehen, also beim Organ der Freiwilligen Selbstkontrolle der Presse, werden auf Grundlage des Pressekodex beurteilt.12

Wie wird gegen Verstöße vorgegangen?

Wenn, wie eben genannt, eine Beschwerde beim Deutschen Presserat eingeht, kann die jeweilige Redaktion einen Hinweis, eine Missbilligung oder eine öffentliche Rüge aussprechen. Einfluss auf etwaige Rechtsansprüche hat der Rat nicht, dass muss dann individuell auf Rechtswegen verfolgt werden. Die Rüge, als härteste Sanktion bei einer Beschwerde, muss von der Redaktion in der nächsten Ausgabe veröffentlicht werden.13

Der Verstoß gegen den Pressekodex, kann häufig auch Verletzung anderer gesetzlicher Bestimmungen mit sich ziehen. Wenn beispielsweise gegen das Gebot der klaren Trennung zwischen redaktionellen Inhalten und Werbung verstoßen wird, kann es dazu führen, dass Konkurrent*innen Abmahnungen aussprechen.14

Doch welche genauen Folgen kann dies für Journalist*innen und Medienhäuser bedeuten? Rügen-Veröffentlichungen kann häufig Imageschäden mit sich bringen, da die Kritik das Vertrauen von Leser*innen, aber auch von Geschäftspartner*innen, schaden kann. Betroffene Personen haben die Möglichkeit, Schadensersatz zu fordern, vor allem wenn es sich ebenfalls um Verstöße gegen das Grundgesetzt handelt. Also, zum Beispiel wenn die Menschenwürde oder das Persönlichkeitsrecht verletzt wurden, können jene Betroffene rechtlich dagegen vorgehen. Außerdem kann der Ausspruch von Rügen ebenfalls arbeitsrechtliche Konsequenzen bedeuten. Journalist*innen riskieren arbeitsrechtliche Sanktionen wie Abmahnungen oder Kündigungen. Durch öffentliche Rügen können Medienhäuser auch bei Förderungsmaßnahmen benachteiligt werden oder gar Anzeigeaufträge von Unternehmen verlieren.15

Doch: Sollte man nicht härter durchgreifen? 

Rügen haben nicht immer eine große Auswirkung. Die BILD beispielsweise hat zwischen 1986 und 2020 219 Rügen kassiert. Das macht mehr als ein Viertel der 797 je erteilten Rügen in dieser Zeitspanne aus.16

Doch nicht jeder hat dann die finanziellen Mittel rechtlich gegen die Unternehmen oder Journalist*innen vorzugehen.  Der große Haufen an Rügen hat beispielsweise die BILD nicht davon abgehalten, so weiter zu publizieren. Noch heute gilt sie als eine der größten Boulevardzeitungen Deutschlands.

In dem Beispiel zu Beginn wurde deutlich unethisch gehandelt, indem die identifizierende Darstellung des Opfers gegen den Opferschutz verstoßen hat. Ebenfalls festgeschrieben im Pressekodex. Es zeigt, dass es zwar festgelegte Prinzipen der ethischen Ausübung im Journalismus gibt, aber sich nicht unbedingt immer darangehalten wird. Eine Rüge, die ebenfalls in diesem Fall ausgesprochen wurde, hat demnach nicht immer den erwünschten Effekt. Das sieht man beispielsweise auch daran, dass es noch etliche andere Fälle der BILD-Zeitung mit denselben Vorwürfen gibt17. Im Rahmen der Pressefreiheit kann also einiges veröffentlicht werden, ohne dass es größere Konsequenzen davonträgt. Das gilt auch für unethisches Verhalten.


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