Demokratieabgabe oder Staatspropaganda: Wie politisch voreingenommen sind die Öffentlich-Rechtlichen?

von Ole

Für die einen sind es Zwangsabgaben für Staatspropaganda, für die anderen eine notwendige Demokratieabgabe. Die Polarisierung in diesem Thema hat zugenommen, aber ist an der Kritik etwas dran?

„Hier ist das erste deutsche Fernsehen mit der Tagesschau“ – diese ikonischen Worte kennt jede Person in Deutschland. Als wahrscheinlich die bekannteste Sendung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, genießt die Tagesschau bis heute große Beliebtheit.[1] Die öffentlichen Rundfunkanstalten sind beinahe so alt wie die Bundesrepublik selbst. Allerdings stehen diese zunehmend in der Kritik. Begriffe wie „Lügenpresse“ sind allerseits bekannt. Besonders von Seiten der AfD, sind die Vorwürfe groß. Die öffentlich-Rechtlichen seien zu politisch voreingenommen, gar regierungstreu und sowieso viel zu teuer.[2] Dagegen versteht sich der ÖR selbst als ein Stützfeiler der Demokratie. Im Folgenden beleuchten wir die beiden Behauptungen.

Geschichte der ÖR

Die Öffentlich-Rechtlichen sind ein Produkt der Nachkriegszeit. Als Gegenmodell zu den gleichgeschaltet Medienapparat im Nationalsozialismus wurde von dem Gesetzgeber unter Aufsicht der Alliierten der öffentlich-rechtliche Rundfunk nach britischem Vorbild gegründet. Dieser soll mit dem Förderalismusprinzip und mithilfe gesetzlicher Verankerungen unabhängig und staatsfern sein. Ihr Programm ist mit ihrem gesellschaftlichen Auftrag verknüpft, durch sein vielfältiges Programmangebot zur freien Meinungsbildung beizutragen.

Ein süßer Hund sitzt vor dem Hauptgebäude des BBC in London
Die BBC war die erste öffentlich-rechtlich organisierte Rundfunkanstalt und Inspiration für die deutschen Rundfunkanstalten. Bild: Unsplash 

Um den Rundfunk staatsferner zu machen, wird der Rundfunkbeitrag von einem unabhängigen Gremium ausgearbeitet, welcher von den Landesregierungen noch zugestimmt werden muss.[3]

Allerdings steht dieser Rundfunkbeitrag in der Kritik. 

Zwangs- oder Demokratieabgabe?

Rund 85% der Kosten werden mit den Rundfunkbeitrag gedeckt. Dieser beträgt 18,36€ und soll im Jahr 2025 auf 18,94€ erhöht werden.[4]

Seit ihrem Bestehen, haben sich die Rundfunkbeiträge über die Jahre meistens erhöht.

Gemessen an der Kaufkraft, hat Deutschland die höchsten Pro-Kopf Abgaben Europas.[5]

Besonders öffentliche Diskussionen über die großzügigen Vergütungen des Intendant*in, sorgen bei vielen für Unverständnis.[3][4] Daher betrachten es einige als zynisch, wenn von den steigenden Abgaben als „Demokratieabgabe“ gesprochen wird, wie es WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn tat.[4]

Der „links-grün-versiffte“ Journalist?

Allgemein Aussagen zu politischen Einstellungen von den tausenden Mitarbeitern großen Medienanstalten zu treffen ist schwer. 

Eine Umfrage aus dem Mai 2020 sorgte für Schlagzeilen. Hier wurden Volontär*innen der ARD gefragt, welcher Partei sie ihre Stimme schenken würden, wäre kommenden Sonntag die Bundestagswahl. Dabei gaben 92,2% an für eine linke Partei zu stimmen.[9]

Eine junge Frau ruft energisch in ein Megaphon
Manche Menschen haben das Gefühl, Journalist*innen würden zunehmend als Aktivisten agieren. Bild: Pexels

Bei der Welt kommentierte Rainer Haubrich dieses Ergebnis mit den Worten:

„Wenn die ARD so weitermacht, herrscht in deren Redaktionen bald eine Vielfalt wie beim chinesischen Volkskongress“[10]

Diese Zahlen scheinen das Gefühl der AfD[11] und anderen Kommentator*innen zu bekräftigen, dass die ÖR stark linkslastig sind. Allerdings ist mit nur 86 befragten Nachwuchsjournalist*innen, diese polarisierte Umfrage nicht repräsentativ für die ÖR. Des Weiteren bedeutet das eigene Wahlverhalten nicht automatisch eine Tendenziösität des Programmes.

Tendenziöses Programm?

Der Vorwurf der politischen Unausgewogenheit hat besonders in den letzten Jahren zugenommen. Bei einer Umfrage von Infratest Dimap inmitten der Flüchtlingskrise 2015, gaben 37% an, dass ihr Vertrauen in die deutschen Medien gesunken sei. 42% hielten deren Informationen für nicht glaubwürdig und glaubten an Vorgaben, die die Medien von der Politik erhalten.[12] Die Medien haben bei vielen ein Vertrauensproblem. 

Besonders lautstark hört man diesen Vorwurf von Seiten der AfD. Diese beklagt über die ungleiche Repräsentation bei den Talkshow Auftritten von der ARD und ZDF, welche nicht ihren Anteil an der Wählerschaft abbildet.[13][14]

Balkengrafik, die Talkshowauftritten von Parteivertretern mit ihrem Anteil im Bundestag vergleicht.

Die ARD und ZDF weisen darauf hin, dass ihre Gastauswahl themenbezogen ist und man kein „Ersatz-Parlament“ sei.[15]

Einflussnahme der Parteien

Allgemein lässt sich die Frage „hat die Politik einen Einfluss auf die ÖR?“ bejahen. Allein da die Parteien Vertreter*innen in den Gremien der Rundfunke stellen. Diese Gremien wählen den Intendanten*in, mitbestimmen bei der Auswahl von Programm- und Chefredaktionen und beschließen den Anstaltshaushalt. Allerdings besteht der Großteil der Gremien aus Vertreter*innen von diversen Interessensgruppen und nicht von Parteien. Diese Gruppen werden zwar von den Landesregierungen ausgewählt, aber über die Vertreter*innen wird von diesen selbst entschieden.[16]

Das ARD-Hauptstadtstudio in Berlin steht in unmittelbarer Nähe zum Regierungsviertel. Bild: Pixabay

Ob der „direkte Draht“ von Politiker*innen zu den Journalist*innen besteht, kommentiert die Medienwissenschaftlerin Christine Horz von der Technischen Hochschule Köln folgendermaßen: „Ich denke, in der Vergangenheit haben die Sender auch einzelne Anrufe aus der Politik bekommen“, aber die Redaktionen würden sich wehren und solche Fälle „gewöhnlich öffentlich“ machen.[17]

Fazit

Der deutsche öffentliche Rundfunk hat eine lange Geschichte vorzuweisen mit einem gesellschaftlichen Auftrag und Mechanismen, die sich über Jahrzehnte hinweg bewährt haben. Allerdings ist er nicht perfekt und bietet Raum für Verbesserungen. Aufgrund seiner Kosten, fragwürdigen Spitzengehältern und der von Teilen der Bevölkerung als tendenziös wahrgenommenen Ausrichtungen gibt der ÖR zunehmend Angriffsfläche für seine Kritiker. Diese Unzufriedenheit wird auch von der AfD genutzt. So wirbt Höcke für die kommende Wahl in Thüringen damit, dass er die Medienstaatsverträge auflösen und die ÖR in Thüringen auf ein Zehntel schrumpfen lassen wird.[18] Auch wenn eine Mehrheit für die AfD bei der kommenden Wahl in Thüringen unwahrscheinlich ist, sollten die ÖR ihre laut gewordenen Kritiker*innen ernst nehmen. Ansonsten machen sie diese nur stärker.


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