von Aileen, Helena, Ina und Kaya
Eine Milliarde monatliche Nutzer*innen weltweit.[1] Seit 2016[2] gehört die App TikTok zum festen Bestandteil des Alltags vieler Menschen und ist seit 2022 die „erfolgreichste App der Welt“[3]. Doch wie immer bringt der Ruhm Schattenseiten mit sich. Seit langem warnen Expert*innen vor den schädlichen Auswirkungen der Plattform auf die mentale Gesundheit. Wie gefährlich ist TikTok wirklich und worin bestehen Möglichkeiten, sich gegen die gesundheitlichen Auswirkungen zu schützen?
Wir alle kennen diese Situation. Nach dem Frühstück noch schnell ein TikTok anschauen, um den unliebsamen Aufgaben des Tages noch eine Weile zu entfliehen. Was uns dabei entgeht: Diese kurzen Videos beanspruchen weit mehr unserer Aufmerksamkeit, als uns bewusst ist. Darüber hinaus kann ein exzessives Nutzerverhalten nicht nur unsere Wahrnehmung und Konzentrationsfähigkeit negativ beeinflussen, sondern auch zur Suchtgefahr werden. Doch wieso ist das so? Was passiert bei der Nutzung der App in unserem Gehirn und was können wir dagegen tun?
Veränderung der Wahrnehmung
Durch die TikTok-Nutzung werden die mentalen Fähigkeiten beeinflusst. Was wiederum Einfluss auf die neuronalen Strukturen hat. Das den Anreiz des Belohnungssystems wird TikTok als ein Ausweg aus dem realen Leben genutzt. Wenn man einen schlechten Tag hatte oder anstrengende, schwer zu bewältigende Aufgaben vor sich hat – TikTok erscheint einem wie der einzige Lichtblick, um dem Ganzen zu entkommen. Es bietet mehr Chancen, seine persönliche Identität zu finden. Wobei es hier besonders wichtig ist, dass man sich nicht zu sehr von Trends verleiten lässt. TikTok hat schon zu einigen psychischen Problemen geführt, die man nur durch ein gutes Durchhaltevermögen und Motivation geheilt bekommt.[4]
Suchtgefahr
Was macht dich bei TikTok süchtig?
Es ist zu einem Großteil dein personalisierter Feed. Schon beim Einrichten der App wirst du nach deinen Lieblings-Kategorien gefragt. Mithilfe von KI wird dann das Scroll-Verhalten analysiert und somit herausgefunden, welche Videos dir gefallen und welche nicht. Je mehr Zeit du auf TikTok verbringst, desto besser kann sich dein Feed anpassen. Zudem nimmt die App deinen gesamten Bildschirm ein und zieht den ganzen Fokus auf sich. Alle anderen Apps rücken in den Hintergrund und du vergisst sie. Erst als du nach einer paar stündigenTrance TikTok schließt, merkst du, was du alles verpasst hast.
Bin ich schon süchtig?
Die WHO definiert „Sucht“ als eine substanzgebundene Verhaltenssucht. Du kannst das bei dir selbst feststellen: wenn du deine Schule, sozialen Kontakte oder dein Berufsleben ignorierst und stattdessen lieber auf TikTok scrollst, hast du eine Sucht. Expert*innen sprechen oft auch davon, dass Social Media eine Droge ist. Es gibt verschiedene Arten der Sucht: Internet- und Onlinesucht, Handysucht oder Onlinekaufsucht sind nur ein paar wenige davon.[5]
Kann TikTok-Nutzung auch positive Effekte haben?
Es gibt auch Gegenstimmen, die der App positive Auswirkungen zuschreiben. So attestiert Dr. Craig Richards von der Universität Shenandoah TikTok einen Stress reduzierenden Effekt. Er erklärt, dass unser Gehirn während der Nutzung weniger arbeitet und somit Stresssymptome gelindert werden können.
Veränderungen im Gehirn: Beeinflusst TikTok wirklich unsere Konzentrationsfähigkeit?

Wenn uns ein Video nicht gefällt, swipen wir einfach weiter. Was oft unbewusst passiert, ist tatsächlich ein Anzeichen für eine verkürzte Aufmerksamkeitsspanne. Doch warum fällt es vor allem der jüngeren Generation so schwer, sich mehrere Minuten auf einen Sachverhalt zu fokussieren?
Die Antwort findet sich im präfrontalen Kortex. Diese Hirnregion ist unter anderem für die selektive Aufmerksamkeit zuständig. Dies bezeichnet die Fähigkeit, sich für einen längeren Zeitraum auf eine bestimmte Aktivität zu konzentrieren und Störfaktoren sowie Ablenkungen auszublenden.[6] Nach Michael Manos, dem klinischen Direktor des Zentrums für Aufmerksamkeit und Lernen am Cleveland Clinic Children’s, dauert die vollständige Ausbildung dieser Hirnregion 25 Jahre. Dies erklärt, warum es Kindern und Jugendlichen wesentlich einfacher fällt, sich kurze Videos anzusehen. Für die Ausbildung des präfrontalen Kortex ist das problematisch. Da das Gehirn im Minutentakt mit neuen Reizen konfrontiert wird, lernt es nicht, sich für längere Zeit auf eine Aktivität in reizarmer Umgebung zu konzentrieren. Hat sich das Gehirn erst einmal an die ständige Informationsflut gewöhnt, ist eine verkürzte Aufmerksamkeitsspanne die Folge.[7]
Digital Detox oder wie wir uns erfolgreich unsere Zeit zurückstehlen
Doch was können die Konsument*innen jetzt tun, um sich und ihre mentale Gesundheit zu schützen?
Zunächst einmal ist es wichtig, eine Art Medienbewusstsein zu schaffen und sich über den eigenen Konsum bewusst zu werden. Wie schon erwähnt, geschieht das stundenlange Scrollen oft unbewusst.
Es braucht also Methoden, um bewusster zu konsumieren. Eine davon kann zum Beispiel sein, aktiv Zeiten festzulegen, während denen man online ist, beispielsweise durch einen Timer auf dem Smartphone, der die Zeit begrenzt und daran erinnert, das Gerät nach einer gewissen Zeit wegzulegen. Das funktioniert auch umgekehrt, indem beispielsweise Apps genutzt werden, die jegliche andere Apps für einen festgelegten Zeitraum blockieren, um in dieser Zeit produktiv zu sein.
Als Übung kann es auch hilfreich sein, das Handy einfach mal ganz zur Seite zu legen und sich bewusst zu werden, warum wir gerade Zeit auf Social Media verbringen möchten. Oft ist das unbewusste Scrollen eine Übersprungshandlung, die von anderen Aufgaben oder Gedanken ablenken soll. Langeweile zuzulassen, lässt uns oft mit Unwohlsein zurück, weil wir es nicht mehr gewohnt sind, nicht ständig neuen Reizen ausgesetzt zu werden. Sich der Quelle dieses Gefühls bewusst zu werden und sich aktiv gegen den Konsum zu entscheiden, kann dabei helfen, auch in Zukunft nicht so schnell in den Bann von Apps wie TikTok gezogen zu werden.
Die Nutzung der App ist erwiesenermaßen mit potenziellen Risiken verbunden. Es ist jedoch wichtig zu berücksichtigen, dass nicht jeder User automatisch in eine Sucht verfällt.
Die Lösung der regelrechten TikTok-Epidemie liegt in verantwortungsvoller Nutzung und der dringend nötigen Förderung von Medienkompetenz. Gerade jungen Menschen muss früh beigebracht werden, dass diese oder andere Apps nicht zum Lebensinhalt werden dürfen. TikTok soll und kann Spaß machen, es sollte jedoch nicht nicht das Weltbild oder die kognitiven Fähigkeiten der heranwachsenden Generation zum Negativen beeinflussen. Es liegt an uns allen, den kompetenten Umgang mit neuen Unterhaltungsangeboten selbst zu praktizieren und mit gutem Beispiel voranzugehen.
[2] Vgl. Giesen, Christoph: Bytedance-Gründer Zhang Yiming: Verkaufen oder alles verlieren. In: Süddeutsche Zeitung, veröffentlicht am 5.08.2020. Online unter: https://www.sueddeutsche.de/digital/tiktok-zhang-trump-1.4989818 (29.01.2024)
[5] Habermann, Katrin (2021): Eltern-Guide Social Media. Instagram, Snapchat, TikTok und Co. – Kinder und Jugendliche unterwegs im Internet. Springer Link
Schreibe einen Kommentar