von Ole, Emma, Anika und Grischa
Ob im Fernsehen, in der U-Bahn oder während dem Scrollen auf Instagram: Unterwegs in unserem realen und digitalen Alltag begegnen uns mehr Werbespots, Plakate und Anzeigen denn je. Durch flotte Sprüche und anziehende Bilder wird versucht, unsere Aufmerksamkeit zu gewinnen. Aber ist das nicht dasselbe, das Propaganda auch macht?
„Werbung ist die Kunst, auf den Kopf zu zielen und die Brieftasche zu treffen.“1 Vance Packard beschreibt mit diesem Zitat, was vielen Menschen schon einmal passiert ist. Nach der dritten Nutella-Werbung möchte sich der eine oder die andere dann auch den Morgen versüßen. In der Werbung wurde der Aufstrich so appetitlich dargestellt, dass unverhofft selbst beim Einkaufen danach gegriffen wurde. Das ist zwar teils nervig, aber harmlos. Oder etwa nicht?
Eine weitaus weniger harmlose Art und Weise, Menschen zu beeinflussen, ist die Propaganda. Sie wird als gefährlich eingeschätzt und im Umgang mit ihr ist Vorsicht geboten. Welche einschlagende Wirkung die Propaganda der Nationalsozialisten hatte, ist heute allen bekannt. Doch worin liegt eigentlich der Unterschied zwischen alltäglicher Werbung und indoktrinierender Propaganda? Und kann die Nutella-Werbung nicht ebenso manipulativ sein wie Propaganda?
Was ist Werbung?
Das Online-Wörterbuch Wiktionary definiert Werbung als „in verschiedener Weise verbreitete Informationen zu dem Zweck, Kunden[*innen], Käufer[*innen], Mitglieder oder Ähnliches zu bekommen“1. In anderen Worten: Das Ziel von Werbung ist es, „anzuwerben“, also, das Werbepublikum zu überzeugen, einer bestimmten Handlung nachzugehen, beispielsweise einen Kauf zu tätigen, einer Organisation beizutreten oder Geld zu spenden.

Laut der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) hat Werbung fünf Funktionen:
- Bekanntmachung: auf den Gegenstand der Werbung hinweisen
- Information: Merkmale dieses Gegenstands bewerben
- Suggestion: dem Publikum einen Kaufwunsch (oder Ähnliches) suggerieren
- Image: den Gegenstand von seinen Alternativen anderer Organisationen positiv abhebene) Erinnerung: den Gegenstand im Gedächtnis des Werbepublikums verankern
- Erinnerung: den Gegenstand im Gedächtnis des Werbepublikums verankern
Und was ist eigentlich Propaganda?
Propaganda – von lat. propagare: (weiter) ausbreiten, fortpflanzen – bezeichnete ursprünglich Maßnahmen zur Ausbreitung des christlichen Glaubens.
Die bpb schreibt: „Heute versteht man unter Propaganda die systematische Verbreitung politischer, weltanschaulicher oder religiöser Ideen und Meinungen“. Das Ziel von Propaganda sei, „das allgemeine politische Bewusstsein in bestimmter Weise zu beeinflussen.“
Wie lassen sich die beiden Mittel der Beeinflussung unterscheiden?
Um die Unterschiede von Werbung und Propaganda herauszuarbeiten, lassen sich laut dem Kommunikationswissenschaftler Klaus Merten zwei zentrale Punkte fokussieren. Hauptsächlich unterscheidet sich die Absicht, mit der kommuniziert wird und die Ethik, welche der Handlung zu Grunde liegt.
Das Ziel der Propaganda, auf lange Sicht Vorstellungen und Entscheidungen in der Bevölkerung zu verankern, wird durch manipulative Methoden erreicht. Die Rezipierenden werden vor vollendete Tatsachen gestellt, die als das einzig Richtige dargestellt werden. Damit wird den Menschen die Entscheidungsfreiheit genommen. Um die Akzeptanz dieser Tatsache zu fördern, wird meist mit unkontrollierbaren (negativen) Auswirkungen gedroht.
Werbung hingegen erreicht ihr Ziel, im Hier und Jetzt die Rezipierenden z.B. zum Kauf zu überreden, durch Methoden der Überzeugung. Es werden die positiven Aspekte z.B. eines Produkts, angepriesen und das mit jeder Werbung aufs Neue. Auch wenn das eigene Produkt im Vergleich zur Konkurrenz hervorgehoben wird, am Ende liegt die Entscheidung bei den Kund*innen.
Propaganda | Werbung | |
Ziel | Manipulation | Überredung |
Funktion | Akzeptanz vorgegebener Weltanschauungen, Ansichten und Überzeugungen | Produktkauf, Inanspruchnahme des Service, Nutzung des Angebot |
Situation | Für immer | Im Jetzt |
Methode | Schüren von Angst, Betonung der Unausweichlichkeit | Positive Eigenschaften hervorheben, Nutzen von Assoziationen |
Doch sind sie am Ende wirklich so verschieden?
Um deutlich zu machen, dass die Trennung der Bereiche Werbung und Propaganda nicht so simpel ist, wie zunächst dargestellt, befassen wir uns nun mit Beispielen von Plakaten. Diese sind in ferner oder naher Vergangenheit in Deutschland zum Einsatz gekommen.
Zunächst betrachten wir ein Beispiel von konventioneller Werbung. Das Werbeplakat für das Musical „Tina“ hing, seit es auf die Weihnachtszeit zuging, an vielen Bushaltestellen im Stadtraum Tübingen.

Wie die Aufschrift „Musicals sind das schönste Geschenk“ vermuten lässt, möchte diese Werbung Karten für das Musical als Weihnachtsgeschenk empfehlen. Die deutsche Bevölkerung, die auf der Suche nach Geschenken ist, wird für einen begrenzten Zeitraum, die Weihnachtszeit, dazu animiert, Musicalkarten für ihre Freund*innen, Familie oder Bekannte zu kaufen. Dieses Werbeplakat, an dem unzählige Menschen jeden Tag vorbeiliefen, hat vermutlich einen eher harmlosen Eindruck hinterlassen.
Als starken Kontrast rufen wir uns nun die Propaganda der Nationalsozialisten ins Gedächtnis. Unzählige Propagandaplakate sind im Dritten Reich dazu verwendet worden, die Ideologie der NSDAP immer und immer wieder für die Ewigkeit in den Köpfen der Bevölkerung zu verankern. Im Jahr 1939 wurde ein Plakat mit der Aufschrift „Jugend dient dem Führer – Alle Zehnjährige in die HJ.“ genutzt, um deutsche Jungen für die Hitlerjugend zu rekrutieren.2 Darauf ist Adolf Hitlers Kopf in Grautönen im Hintergrund abgebildet und im Vordergrund ein Junge mit blonden gekämmten Haaren und entschlossenem Blick in die Ferne zu sehen. Die hier angesprochenen Zehnjährigen werden nicht nur angeworben, sie werden vor die vollendete Tatsache gestellt, dass es ihre Aufgabe, ist dem Führer zu dienen. Sie haben am Ende keine wirkliche Wahl.
Kommen wir zum Schluss zu einem aktuelleren Beispiel. Ein Wahlplakat der AfD, das 2013 für die Bundestagswahl Verwendung fand. Auf ihm steht geschrieben: „Mut zur Wahrheit. Der Euro spaltet Europa.“3 Ist das nun politische Werbung oder schon politische Propaganda?
Hier wirbt die AfD mit der „Wahrheit“, sie präsentiert mit dem prägnanten Aussagesatz eine für sie geltende Tatsache. Und es wird scheinbar suggeriert, dass es negative Auswirkungen für Europa hat, wenn man nicht die AfD wählt, die etwas dagegen die von ihnen prophezeite „Spaltung“ unternehmen kann. Die AfD präsentiert sich als Antwort zu einem Problem, das sie im selben Zug angesprochen hat.
Doch ob dies schon Propaganda oder „nur“ Werbung ist, ist unklar.
Gibt es eine eindeutige Trennung?
Zwar besteht eine zentrale Unterscheidung zwischen den angestrebten Zielen und eingesetzten Methoden von Werbung und Propaganda. Auf der einen Seite wird ein Produkt oder eine Dienstleistung angepriesen und auf der anderen Seite wird versucht eine politische Überzeugung mit manipulativen Techniken durchzusetzen. Doch betrachtet man beides auf der Wirkungsebene, dann ist die Antwort kurz gesagt: Nein. Im Endeffekt muss jede Werbung für sich betrachtet werden und entschieden werden, ob sie noch als moralisch vertretbar einzustufen ist. Es ist ein fließender Übergang, denn wenn man es ganz genau nimmt, verkauft die Musical-Werbung auch eine Meinung und keine Entscheidung. Was denkst Du? Was würdest Du in welche Kategorie einordnen?
Quellen
Lies, J., Vaih-Baur, C. (2015). PR-Geschichte. In: J. Lies (Hrsg.), Theorien des PR-Managements (S. 42). Springer Gabler. https://doi.org/10.1007/978-3-658-06997-1_3
Schreibe einen Kommentar