Wenn das Spiel zum Leben wird: Das Phänomen Methode Acting

von Miriam, Carola, Anna-Maria und Kim 

Das traditionsreiche Konzept des Method Actings schwebt zwischen zwei Extremen. Es ermöglicht eine neue Form von Tiefgang in schauspielerischen Darstellungen, fordert jedoch oft auch einen psychischen oder physischen Tribut. Ist der Ruhm der Methode wirklich begründet oder stellt sie nicht viel mehr eine Gefahr da?

Stefan Kurt, ein Schweizer Film- und Theaterschauspieler, wird langsam in die MRT-Röhre geschoben. Dort drinnen soll er in den nächsten Minuten verschiedene Szenen aus der Dreigroschenoper spielen. Natürlich, aus Platzgründen, nur in seinem Kopf. Dennoch erhoffen sich Jochen Kiefer, Professor an der Hochschule Zürich und der Neuropsychologe Hennric Jokeit, davon eine Antwort auf die Frage: Fühlen Schauspielende wirklich, was Sie da präsentieren, oder ist Schauspiel doch nur „So tun als ob“? Wie fließend diese Grenzen sein können und dass Schauspiel sehr viel mehr sein kann als bloßes Spiel, zeigt sich bei dem sogenannten Method Acting.

Die Gehirnaktivitäten von Schauspieler*innen sollen bei dieser Studie gemessen werden

Von der Bühne auf die große Leinwand

Im zwanzigsten Jahrhundert wurde der Grundstein für die außergewöhnliche Schauspielmethode von dem russischen Theaterregisseur Konstantin Stanislawski gelegt. Sein Wunsch bestand darin, die Glaubwürdigkeit seiner Schauspieler*innen zu steigern. So sollten diese sich beispielsweise in vergangene persönliche Erlebnisse zurückversetzen, um ein möglichst realitätsnahes und emotional authentisches Spiel zu ermöglichen. Damit war das Stanislawski-System geboren.1 1923 besuchte der amerikanische Schauspieler Lee Strasberg eins von Stanislawskis Stücken und erlebte dort seine Metamorphose. Strasberg nutzte Teile dieses Systems um eine eigene Technik zu entwickeln und ging sogar noch einen Schritt weiter. Schauspieler*innen sollten laut ihm auch in die Lebensumstände der Charaktere eintauchen, indem sie diese wirklich lebten. Diese  Methode unterrichtete Strasberg an seinem Actors Studio in New York. Er lehrte unter anderem Berühmtheiten wie Marlon Brando*, Marylin Monroe und Al Pacino. Diese erschlossen die Methode auch für das Filmschauspiel.2

Von Skepsis zu Staunen:
Durch Marlon Brandos schauspielerischer Leistung in dem Film „Endstation Sehnsucht (1951)“ gewann die Methode erstmals weltweit an Anerkennung. Heutzutage ist diese Art der Rollenvorbereitung keine Seltenheit mehr in Hollywood. Im Gegenteil: Sie wird von vielen berühmten Schauspielenden regelmäßig genutzt
.3

Ein Schauspiel ohne Vortäuschen, voller Authentizität und auch ohne Grenzen? 

Wir halten also fest: Method-Acting bedeutet das komplette innerliche und äußerliche Verschmelzen mit der Rolle. Ein paar berühmte Schauspieler*innen, die sich der Methode bedienten sind: 

  1. Christian Bale: Hungerte sich für seine Rolle in dem Film: „Der Maschinist“ trotz seiner Größe von 1,83cm auf 55 Kilo ab. 
  2. Robert De Niro: Für „Taxidriver” machte De Niro seinen Taxiführerschein und arbeitete drei Monate lang 12- Stunden Schichten in New York.   
  3. Dustin Hoffman: Entzog sich selbst für „Marathon Man“ 72 Stunden am Stück den Schlaf.4

Christian Bale riskiert für diese Rolle seine Gesundheit. Doch für ihn steht die authentische Performance an erster Stelle
Viele gelbe Taxis auf den Straßen New Yorks
Das New Yorker Verkehrschaos. Auch wenn dieser Job sicher kein Spaß war, hat es sich am Ende ausgezahlt. De Niro wurde für seine Darstellung in Taxidriver vielfach von der Kritik gelobt. Quelle: Pixabay

Dies sind nur wenige Beispiele einer umstrittenen Methode. Von harmloseren Tätigkeiten, wie dem Erlernen einer Sportart, bis hin zu beängstigenden Gewichtsabnahmen, können eine Menge Dinge unter das Konzept der Method fallen. Die spannende Frage scheint also weniger zu sein ob es Grenzen gibt, sondern eher wo Schauspieler*innen diese individuell setzen. Dabei müssen die möglichen Auswirkungen auf die psychische und physische Gesundheit in Betracht gezogen werden. Körperliche Folgen, wie im Beispiel von Christian Bale, sind medizinisch absehbar und dementsprechend wenig umstritten. Ganz anders sieht es da im Bereich der psychischen Schäden aus.

„So tun als ob?“

Abbildung seitlicher Gehirnscan eines MRTs
So sieht der Gehirnscan eines MRTs aus. Aktivierte Hirnareale erscheinen in verschiedenen Farben. Somit kann man feststellen in welchem Bereich des Gehirns eine Aktivität vorherrscht. Quelle: Pixabay 

Ein paar Szenen aus der Dreigroschenoper später, darf Stefan Kurt die dunkle Röhre des MRTs wieder hinter sich lassen. Auch bei ihm zeigt sich, was die Forscher zuvor schon bei anderen Studienteilnehmer*innen feststellen konnten. Während des Spiels, waren Gehirnareale aktiv, die ein Indikator für Affekte sind. Die Studie bestätigt also, dass Schauspielende die Emotionen, welche sie darstellen, wirklich fühlen.5

Psychologie Fakt: Basierend auf diesen Erkenntnissen wird umgekehrt das szenische Spielen als therapeutische Methode genutzt. Um Erfahrungen zu verarbeiten, werden diese in einem sicheren Rahmen spielerisch nachgestellt. Die aufkommenden Emotionen werden dann beobachtet und anschließend besprochen. 

Gold oder Gift?

Eine klare Definition des Method Actings als ideale Schauspielmethode oder grundsätzliche Gefahr ist also nicht möglich. Wie mit den meisten Dingen im Leben gilt auch hier letztendlich der Grundsatz, dass ein gewisses Maß an Balance das Wundermittel zum Erfolg ist. Einerseits ist es eine tolle Möglichkeit schauspielerische Leistungen auf ein neues Level zu heben. Andererseits müssen persönliche und körperliche Grenzen bedacht und geachtet werden um bleibende Schäden zu vermeiden. Und wer weiß, vielleicht ist bei manchen Rollen die Folge auch einfach nur ein Berufswechsel zum Taxifahrer?


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